Teil 3 / Schattennacht


»Freya«, Killians Stimme war kalt wie Eis. »Wie schön dich zu sehen.«
»Nun, sag das auch deinem Gesicht, es scheint mich nicht so gerne zu sehen wie du.« Sie trat an den Tisch und beäugte Mircea genauer.
»Dies ist nun also das Mädchen, um das sich alles dreht. Nun ja, ziemlich dürr.« Mircea zuckte kurz zusammen, konnte sich aber zusammenreißen und schluckte eine unfreundliche Erwiderung herunter.
»Wie kommst du hierher, Freya?«
»Dieses kleine Zauberwesen hat mich aufgesucht und hergeführt.« Sie deutete mit dem Finger auf Cress. Nun ja, die Katze sah noch so aus wie Cress, also fast, denn auf ihrem Rücken erstreckten sich neuerdings lange schwarze Schwingen, die sie nun flach an den Körper gefaltet hatte.
»War ja klar«, entnervt warf Killian der Katze einen Blick zu.
»Ähm könnte mir vielleicht jemand erklären, was hier los ist?«, wagte Mircea sich schließlich einzumischen.
»Ja also, Mircea. Dies hier ist Freya, die Leiterin des grauen Hexenzirkels von Tamala auch bekannt als Waldgrün. Freya, dies ist Mircea, Wynns Tochter, wie du ja schon wissen wirst, sonst wärst du nicht höchstpersönlich selbst erschienen.« Killian rollte mit den Augen, bevor er sich wieder Mircea zuwandte. »Ach und Cress, nun deine Katze ist erwacht, jede Hexe hat ein Lebenstier, deines ist Cress, eine kleine Sphinx. Ohne Flügel gefiel sie mir allerdings besser«, knurrte er noch.
Schnurrend sprang Cress Mircea auf den Schoß und rieb ihren Kopf an ihre Hand. Vorsichtig ließ sie ihre Hand durch ihr Fell und über die fedrigen Schwingen gleiten. Da war die Katze also in den letzten Tagen abgeblieben, aber warum hatte sie diese seltsame Frau geholt?
»Sie sollte in den Zirkel kommen, wir haben dort bessere Möglichkeiten sie zu schützen als hier in deiner«, Freya ließ ihren Blick abschätzig durch den Raum gleiten: »Hütte.«
»Ich wollte mit ihr zu gegebener Zeit zu dir kommen«, grummelte Killian.
»Ach und wann wäre das gewesen? Wenn sie halbtot von den Wesen da draußen zerfetzt worden wäre? Killian, du kannst nicht immer alleine die Welt retten wollen. Du weißt, was beim letzten Mal geschah.« Die beiden schienen vergessen zu haben, dass Mircea auch noch da war, jedenfalls beachtete sie keiner mehr.
»Nein, natürlich nicht. Zugegebenermaßen wäre ich in den nächsten Tagen aufgebrochen und hätte sie eurer Obhut übergeben, aber da du nun schon mal da bist, können wir das natürlich auch so machen.«
Mircea runzelte die Stirn. Entschieden die hier gerade über ihre Zukunft, ohne sie zu fragen? Während sie daneben saß und alles hören konnte?
»Ähm darf ich erfahren, wohin du mich bringen wolltest? Und wann du mir dies zu sagen gedachtest?«
»Im Anschluss an dieses Gespräch, welches wir ja nicht zu Ende führen konnten«, er warf Freya einen scharfen Blick zu. »Jedenfalls, in jedem Teil des Landes gibt es Hexenzirkel, die die jungen Novizen aufnehmen und ihnen zeigen, wie sie mit ihrer Kraft umgehen müssen. In etwa so wie ich es dir am Anfang gezeigt habe.« Freya schnaufte abfällig auf, sagte aber nichts.
» Zudem lernen sie alles was sie wissen müssen und am Ende ihrer Ausbildung müssen sie sich entscheiden, ob  sie eine weiße oder eine schwarze Hexe werden. An dieser Entscheidung hängt ihr restlicher Lebensweg. Werden sie versuchen Gutes auf der Welt zu bewirken oder werden sie Verderben und Schmerz über die Erde bringen. Am Anfang sind alle Hexennovizen gleich, am Ende steht nur ihre Entscheidung. Es ist gefährlich, den schwarzen Hexen so den Weg zu ebnen, aber der Hexenkodex verpflichtet uns seit Jahrhunderten zu diesem Weg und auch du musst diesen Weg gehen.«
»Wobei du deine Kräfte zu früh bekommen hast. Nie hatten wir so eine junge Schülerin bei uns, und dann kommen gleich zwei von euch daher, aber am Ende ist das egal. Du musst lernen was du lernen musst und du musst dich am Ende entscheiden, welcher Seite du angehörst. Auf welcher Seite des Lebens du stehst.« Killian nickte zu Freyas Worten und sah sie an.
»Ich hätte dich vielleicht schon viel früher in den Zirkel bringen müssen, aber ich Narr habe mich nicht lösen können. Du warst wie ein Ebenbild von Wynn wie sie früher war. Nun ist geschehen was geschehen ist und dein Weg in den Zirkel sollte nichts mehr im Wege stehen. Freya?«, wandte er sich an die Hexe.
»Du wirst mich begleiten. Morgen. Der Zirkel ist weit entfernt, aber wir nehmen eine Abkürzung. Diese Nacht aber bleiben wir noch hier, solange du nichts dagegen hast, Killian!« Er nickte zustimmend, erhob sich und verließ den Raum.
»Er ist immer noch nicht darüber hinweg«, murmelte Freya leise und senkte traurig den Kopf.
»Worüber?«
»Nichts, worüber du dir Gedanken machen solltest. Geh schlafen, Kind. Wir haben morgen eine anstrengende Reise vor uns.«

Mircea fand keinen Schlaf. Irgendwann gab sie es auf, sich hin und her zu wälzen und verließ leise die Hütte. Fröstelnd dachte sie kurz daran wie die letzte Nacht geendet hatte, als sie alleine draußen gewesen war, aber schnell schob sie diesen Gedanken wieder beiseite, sie wollte nicht mehr darüber nachdenken. Sie lief den kurzen Weg zum Bach, als sie eine Gestalt an dessen Ufer sitzen sah. Killian. Leise trat sie neben ihn und ließ sich ebenfalls auf den Boden nieder.
»Du kannst nicht schlafen«, stellte er überflüssigerweise fest. Sie nickte, bis ihr einfiel, dass er das im Dunkeln nicht sehen konnte.
»Ja, ich … es ist so viel passiert. Du standest meiner Mutter sehr nah, oder?« Killian schwieg lange, so lange, dass sie sich sicher war, keine Antwort mehr zu erhalten, aber schließlich antwortete er doch noch.
»Ja, wir standen uns sehr nah. Deine Mutter, sie war eine wundervolle Frau. Als Mensch und als Hexe. Ich hätte alles für sie getan und ich bin bereit, dir dasselbe zu versprechen. Mircea«, eindringlich wandte er sich ihr zu, sein Gesicht wurde leicht vom blassen Mondlicht beschienen. »Du musst sie retten, bitte, versuch sie aus ihrer Gefangenschaft zu befreien und sie und die gesamte Welt zu retten, wenn es zu einem Krieg kommt, einem magischen Krieg, wer weiß wie lange das gut gehen kann, bis alles was wir je kannten zu Asche verbrannt ist. Bitte Mircea, ich glaube einfach nicht, dass sie all dies aus eigenem Antrieb tut. Sie war immer so eine sanftmütige lebensbejahende Frau, sie kann das nicht selbst wollen, egal was sie momentan tut«, Killians Stimme war leise und brach am Ende.
Mircea nahm seine Hand in ihre und drückte sie fest als Versprechen. Sie musste nichts sagen, auch vorher war klar gewesen, dass sie alles tun würde um ihrer Mutter gegenüberzutreten. Und sei es nur um Antworten zu bekommen, denn die Fragen brannten wie Säure in ihrem Magen.

Der nächste Tag brach an und Mircea saß völlig übermüdet am Tisch und aß ein mageres Frühstück. Killian hatte sich noch nicht blicken lassen und Freya schien darüber in bester Laune zu sein.
»Iss mein Kind, iss. Wir haben noch ein kleine Reise vor uns und du wirst jeden Happen im Magen gebrauchen können.«
Mircea grummelte daraufhin nur etwas Unverständliches und blickte sehnsüchtig zum Fenster hinüber. Wo zum Teufel waren nur Killian und Cress. Seit gestern Abend hatte sich die kleine Sphinx rar gemacht und sich nicht mehr bei ihr blicken lassen. Frustriert seufzte Mircea auf und biss in ihr Brot.  Mit jedem Bissen wurde ihr flauer im Magen und irgendwann gab sie es auf, etwas in sich hinein stopfen zu wollen. Mit einem kurzen Blick zu Freya, die fröhlich vor sich hin summte, stand sie auf und verließ die Küche. Langsam schritt sie durch den kleinen Flur und berührte rechts und links die rauen Holzwände und ließ die Eindrücke des alten Materials in sich fließen.
»Mircea«, Killian stand plötzlich vor ihr und sah sie auf seltsame Weise an.
»Hey«, antworte sie leise. »Ich dachte schon, ich sehe dich nicht mehr, bevor … bevor ich gehen muss.«
»Als würde ich mich nicht von dir verabschieden«, lachte er und sein warmes Lachen tropfte wie Honig in ihr Herz. »Dummes Mädchen! Ich werde dich nicht nur verabschieden, sondern dich auch noch begleiten. Ich lasse dich nicht alleine mit Freya reisen, so weit geht mein Vertrauen dann doch  nicht.«
Stirnrunzelnd sah Mircea ihn an. Was meinte er damit? Sollte sie vielleicht doch lieber nicht mitgehen? Aber hatte sie eine Wahl? Schließlich hatten die beiden ohne sie entschieden! Wieder kroch ein frustriertes Gefühl in ihr hoch wie ein kleines pelziges Monster, das seine nadelspitzen Zähne in ihr Herz schlug.
»Mach dir keine Gedanken. Ich würde dich nicht mit ihr fortschicken, wenn ich es nicht für die richtige Entscheidung hielte.« Als hätte er ihre Gedanken gelesen. Mircea musste willkürlich lächeln und fühlte sich gleich ein wenig besser.

Einige Zeit später waren endlich alle fertig. Mircea stand in ihrem grünen Hexenkleid zum Aufbruch bereit vor der Hütte und wartet auf die alte Hexe. Killian stand nicht weit von ihr entfernt und starrte missmutig in die hohe Mittagssonne, auf seiner Schulter hockte Cress und beobachtete sie mit ihren grünen, stechenden Augen. Nur Freya ließ auf sich warten. Mircea nutzte die Zeit und ließ ihren Blick über die Hütte und den Wald schweifen, der ihr in den letzten Wochen Zuflucht gewährt hatte. So viel war geschehen. So viel hatte sich verändert. Und sie war gewachsen. Sie war nicht nur stärker geworden, sie wusste nun auch, dass sie eine Hexe war. Hatte sie vor kurzem noch gedacht, dass so etwas gar nicht existieren könnte, wusste sie nun, dass sie selbst die Kraft hatte, Magie zu wirken. Ein unglaubliche Kraft, die sie aber sofort wieder eintauschen würde, wenn ihre Großmutter damit wieder zum Leben erweckt werden würde und sie ihr altes Leben zurückbekommen könnte. Sie hatte nicht um diese Kräfte gebeten, aber nun waren sie da und sie würde lernen mit ihnen umzugehen und sie wollte Gutes tun. Sie wollte eine gute Hexe werden.
»Schön, schön, alle da, dann kann es ja losgehen«, gurrte Freyas Stimme plötzlich neben ihr und sie betrat den schmalen ausgetretenen Trampelpfad.
»Erst ewig nicht kommen und dann gleich wieder so ein Theater machen«, grummelte Killian vor sich hin und ließ Mircea den Vortritt und bildete somit den Abschluss hinter den beiden Frauen. Zielsicher führte Freya sie durch den Wald, bis sie zu einer hellen lichtdurchfluteten Lichtung kamen.
»Ja dieser Platz ist gut«, murmelte sie vor sich hin. »Oder was meinst du Killian? Weit genug von deinem Haus entfernt?«
Dieser nickte nur und ließ seinen Blick durch die Bäume streifen.
»Ja ich denke, hier ist es perfekt.«
»Perfekt wofür«, mischte sich Mircea ungeduldig in das Gespräch ein.
»Für die Reise, deine erste Reise mit Magie«, antwortete Freya und hob die Arme. Magie flirrte durch ihre Finger, nur dass diese bei ihr eher fliederfarben war und nicht blau wie bei Mircea. Sie lächelte und Killian trat neben Mircea und ergriff ihre Hand.
»Wir machen das zusammen.« Mit diesen Worten trat er hinter sie und schlang seine Arme um sie. Mircea erzitterte leicht und biss sich vor Verlegenheit auf die Lippen. Ihr war es unangenehm wie nah Killian ihr war und gleichzeitig genoss sie das Gefühl.
»Streck deine Hände aus«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Jetzt greife nach deiner Macht, ziehe sie zusammen und forme einen gedanklichen Ball, ja so ist es gut.« Er ergriff ihre Hände und öffnete sich ihr.
»Lass die Magie in mich fließen, hab keine Angst, es kann nichts passieren.« Mircea nickte und ließ los. Die Magie strömte aus ihr zu Killian und gleichzeitig strömte ein wenig seiner Macht in sie, dann gab es einen leisen Knall. Die Luft um sie herum wurde durchscheinend, dann zog etwas an ihrem Körper und ihr wurde sofort schlecht. Dann, plötzlich, war es vorbei und sie stand wieder auf festem Boden. Die Augen zusammen gekniffen, atmete sie schwer und spürte Killians Wärme machtvoll hinter sich.
»Öffne die Augen, Mircea, es ist vorbei.«
Mircea tat wie Killian ihr gesagt hatte und riss erstaunt die Augen auf. Vor ihr stand ein altes Schloss, eingeschmiegt zwischen Felsen und Wäldern. Strahlend weiß und erhaben.
»Der Zirkel. Die Hexenschule. Herzlich Willkommen.« Freya drehte sich lächelnd zu ihr herum. »Komm mit, ich zeige dir, wo du die nächste Zeit wohnen wirst.«
Mircea war viel zu sprachlos um zu widersprechen und stolperte Freya einfach den breiten Steinweg hinterher. Killian hielt sich betont entfernt von ihr und bog kurz vor dem breiten Eingangstor auf einen schmalen Trampelpfad ab, der scheinbar um das Schloss herumführte. Sie sah ihm stirnrunzelnd nach, aber da öffnete sich bereits das Tor und ließ sie hinein. Auch hier drinnen war alles weiß. Die Böden, die Wände, die Decken. Weiß wohin man sah. Und zudem sah sie hier endlich die ersten Hexen. Neugierig sah sie sich von zahlreichen Gesichtern gemustert und musste schlucken, alle schienen so viel älter als sie zu sein. Auch wenn sie das vorher gewusst hatte, war es doch etwas anderes damit jetzt so klar konfrontiert zu werden. Das Gefühl abschüttelnd, richtete sie sich ein wenig weiter auf und sah möglichst selbstbewusst nach vorne.
»Hm war ja davon auszugehen, dass sie hier nirgendwo sein würde, aber gut, dann eben so. Jaime«, sie winkte eine der jungen Frauen herbei und eine etwas mollige brünette Hexe löste sich aus einer der Gruppen und kam auf sie zu. Neugierig musterte sie Mircea und lächelte selbstbewusst als sie kurz den Kopf als Zeichen des Grußes vor Freya senkte.
»Bitte zeige unserem neuen Gast ihr Zimmer, da ich Eisa mal wieder nirgendwo entdecken kann, möchte ich, dass du dich ihrer annimmst.«
»Natürlich«, Jaime nickte und wandte sich Mircea zu. »Komm mit!« Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sie sich um und ging voran. Kurz blieb Mircea noch überrascht stehen, dann folgte sie dem anderen Mädchen, bevor es um die nächste Biegung verschwand.
Immer wieder begegneten sie kleinen Gruppen von Hexen, die sie meist neugierig musterten und danach die Köpfe tuschelnd zusammen steckten. Mircea fühlte sich unwohl, sie wollte nicht im Mittelpunkt stehen und vor allem nicht die Neue sein. Sie kannte dieses Gefühl nicht und jetzt wünschte sie sich, es nie kennen gelernt zu haben
»Mach dir keinen Kopf«, meinte Jamie da plötzlich. Sie hatte mitbekommen, was sich in Mircea abspielte und wollte sie beruhigen. »Die tuscheln ein zwei Tage über dich und dann ist alles wieder normal. Momentan bist du zwar Gesprächsthema Nummer eins, aber das gibt sich gewohnt schnell wieder, dann ist etwas anderes interessanter, also lass den Kopf nicht hängen.«
»Danke«, murmelte Mircea schüchtern und erwiderte Jamies Lächeln.
»Ah, da sind wir auch schon!« Jaime hielt vor einer der zahlreichen Türen auf einem langen Flur und stieß sie ohne anzuklopfen auf. Von drinnen kam ein kurzes, ärgerliches Fauchen und ein blondes Mädchen funkelte sie beide wütend an.
»Eisa, darf ich vorstellen, deine neue Mitbewohnerin! Bitte zeige ihr in den ersten Tagen alles und mach ihr das Leben nicht noch schwerer als es schon ist. Und du, das hier ist Eisa, sie ist wie du eigentlich viel zu jung um hier zu sein, aber nun gibt es euch beide, also viel Spaß in Tamala.« Mit einem Nicken in Mirceas Richtung verließ sie den Raum und eilte davon. Verwirrt blinzelte Mircea ihr hinterher bis von drinnen ein Schnauben erklang.
»Du bist also die von der alle reden.« Mircea wandte sich ihr zu. »Mein Name ist jedenfalls Eisa und wie es aussieht, sind wir ab heute Mitbewohner, also komm schon herein und mach vor allem endlich die Tür zu.« Mit einem freundlichen Lächeln relativierte Eisa ihren harschen Tonfall und schließlich betrat Mircea das Zimmer mit einem kribbeligen Gefühl im Magen.
»Hier, das Bett ist deines, ansonsten gibt es hier eh nicht viel zum Teilen.« Mit einem kleinen Sprung ließ sich Eisa auf ihr Bett fallen und die blonden langen Haare wirbelten wie ein Sturm um sie herum. »Also wie heißt du?« Neugierig musterte Eisa das junge Mädchen.
»Mircea.«
»Also Cea, ist nicht so lang.« Wieder grinste Eisa verschmitzt und sah damit wie ein kleiner süßer Dämon aus. »Sie haben uns beide wohl zusammengesteckt, weil wir beide jünger als die anderen sind, wir sind etwas Besonderes, oder so ähnlich:« Eisa lachte, aber man konnte den frustrierten Unterton leicht heraushören.
Mircea wurde aufmerksam.
»Du bist auch noch keine achtzehn Jahre alt? Was ist bei dir passiert?«
»Nein, ich bin siebzehn und wurde eines Tages einfach davon überrascht. Na ja und dann bin ich hier gelandet, ist immerhin besser als das Waisenheim, wo ich bisher war. Hier gibt es zwar auch Regeln und der Unterricht nervt, aber ich muss nicht arbeiten oder irgendwelche Erledigungen machen.« Das Wort »Erledigungen« betonte Eisa in einer Art und Weise, dass es Mircea eiskalt den Rücken herunterlief.
»Also schön dich kennen zu lernen, Cea. Du scheinst eine gute Partie als Zimmergenossin zu sein und ich täusche mich eigentlich selten.«

Die ersten Tage waren für Mircea sehr schwer, andauernd folgten ihr allzu neugierige Blicke und alle schienen nur über sie zu reden. Das einzige was wie ein Lichtschein in dieser Zeit anmutete, war Eisa und ihr strahlendes Wesen. Immer gut gelaunt und mit einem frechen Spruch auf den Lippen half sie Mircea durch die Stunden, die sie mit anderen verbringen musste. Mircea lernte viel und auch wenn sie gerade erst in den Zirkel gekommen war, wusste sie dank Killian und der Bücher bereits so viel, dass sie nicht völlig hinter die anderen zurückfiel. Unterrichtet wurde eher locker und jeder suchte sich aus, welche Stunden er besonders besuchte und welche hinten herunter fielen. Man musste zwar alles mitmachen, aber sobald man die Pflichtstunden absolviert hatte, durfte man sich seinen Interessen widmen. Bei Mircea fiel dieses Interesse vor allem in die Pflanzenwelt und die Geschichte der Hexen. Besonders die jüngste Geschichte der Hexenkönigin hatte es ihr angetan, denn Wynn war immerhin ihre Mutter. Bisher wusste niemand, dass sie ihre Tochter war und sie hatte auch nicht vor, dies zu ändern. Schlimm genug, dass alle über sie redeten, weil ihre Kraft so früh erwacht war, was wäre erst, wenn sie herausfinden würden, dass sie die Kraft der Hexenkönigin in sich trug.
Immer an ihrer Seite war Eisa und um sich zu revanchieren, besuchte Mircea alle Kurse mit ihr, die in irgendeiner Weise mit der Tierwelt zu tun hatte. Obwohl Eisa sich vor allem für die magischen Wesen interessierte, sog sie auch alles andere Wissen wie ein Schwamm in sich auf.
Aber vor allem lernten sie wie sie ihre Kraft zähmen und formen konnten. Wie sie der Magie ihren Willen aufzwingen und sie anwenden konnte. Bald konnte sie nicht nur Dinge bewegen oder verformen, sondern auch ganz andere Dinge. Wie man kämpfte und sich verteidigte. Wie sie Pflanzen als Heil- und auch als Giftpflanzen einsetzen konnte. Und wie man sich verhielt, wollte man nicht auffallen. Hier im Zirkel fiel das leicht, sie waren alle Hexen, egal was man tat oder sagte, niemand nahm Anstoß daran, aber draußen, in der wirklichen Welt war dies ein Problem. Hexen wurden gehasst und gejagt wo man ihrer habhaft werden konnte, dabei galten sie als Mythen und Legenden, trotzdem fanden die Menschen immer wieder Gründe die Magie zu verteufeln und Hexen oder auch nur arme Frauen zu verbrennen. Mircea schauderte es bei dem Gedanken wie nah sie selbst dran gewesen war in den knisternden allesverzehrenden Flammen zu vergehen. Für Mircea war dies alles wie eine völlig neue Welt und ohne Eisa wäre sie hier wahrscheinlich untergegangen.
Mit der Zeit schloss sich ihnen auch Jaime an, die nach ihrem ersten etwas ruppigen Tag ein wenig netter geworden war und mit ihr auch ihre Freundin Kaitlyn, die selten ein Wort sagte.
Mircea dachte nicht oft an ihr altes Leben und an ihre Großmutter und wenn doch, dann war Eisa immer sofort zur Stelle und versuchte sie zu trösten und aufzumuntern. Sie hatte scheinbar einen siebten Sinn dafür, wenn es Mircea nicht gut ging und zog sie immer wieder aus dem tiefen Sumpf heraus.

An wen Mircea auch wenig dachte war Killian. Er hatte sich nicht auf den Weg zurück zu seiner Hütte gemacht, sondern hatte sich dem kargen Stall angenommen, der neben einer großen Weide halb zerfallen thronte und ein paar kleinen zotteligen Ponys ein Heim bot. Er ging Mircea möglichst aus dem Weg und jedes Mal, wenn die beiden sich zufällig begegneten und er sich ohne ein Wort abwandte, stach es schmerzhaft in ihr Herz.
Sie verstand einfach nicht wieso er sich so verhielt. Nach ihrer Ankunft hatte er sich sofort zurückgezogen und sie keines Blickes mehr gewürdigt. Dass alle Schüler sie mit Missachtung oder  Lästereien straften, störte sie zwar auch, aber bei Killian tat es weh und vor allem wusste sie keinen Grund. Nie hatte sie ihm einen Anlass gegeben, sich von ihr zu entfernen, aber irgendetwas musste dahinter stecken.
Mehrmals versuchte sie genug Mut aufzubringen um zu ihm zu gehen und ihn zur Rede zu stellen, aber jedes Mal scheiterte sie bereits an der Tür. Schmerzhaft legte sich der Druck auf ihr Herz wenn sie versuchte, sich dem Stall zu näheren.
Natürlich bemerkt auch Eisa, dass etwas in ihr vorging und dass sie den Stall möglichst mied und sich im Unterricht nur verbissen in dessen Nähe aufhielt. Trotzdem wollte Eisa natürlich zu den Ponys und sich diese genauer ansehen, sie liebte einfach alle Tiere und konnte es sich nicht entgehen lassen, die struppigen Biester aus der Nähe sehen zu wollen. Bisher hatte Mircea immer eine Ausrede gefunden um sich aus der Situation zu reden, aber heute ließ Eisa scheinbar keinen Einwurf gelten.
»Nun komm schon, Cea. Die sind voll süß und außerdem treibt sich deine Katze auch immer in ihrer Nähe herum. Dort könnte ich endlich mal einen Blick auf deine Sphinx werfen, die ja immer nur dort rumstreunt, statt uns mal hier zu besuchen.« Bittend sah Eisa sie an und Mircea wusste, dass sie ihre Freundin verletzen würde, wenn sie nicht mit ihr kommen würde, außerdem würde ihr es so vielleicht leichter fallen, sich in Killians Nähe aufzuhalten und den Mut zu finden, ihn anzusprechen.
»Gut, ich komme ja schon mit«, grummelte sie und wurde im nächsten Moment fast umgeworfen als Eisa sich kreischend auf sie stürzte und sie mit sich hinaus zog.
Draußen hatten sich dunkle Wolken über den eben noch strahlend blauen Himmel geschoben und verdeckten die Sonne. Fröstelnd rieb sich Mircea über die Arme und folgte Eisa über den Hof.
Je näher sie dem Stall auf dem Schlossgelände kamen umso mehr zog sich Mirceas Bauch schmerzhaft zusammen, doch sie konnte sich Eisas Griff nicht entziehen.
Das erste was sie wahrnahm, war der staubige Geruch nach Heu und das Schnauben der Ponys. Sofort streckten sich ihr unzählige Nasen über die Trennwände entgegen und schnupperten an ihr, ob sie nicht irgendetwas zu essen versteckt hatte. Lachend strich Mircea über einige samtige Mäuler und erstarrte plötzlich, als sie Killians vertrautes Lachen in der Nähe hörte. Welches abrupt abbrach, als Killian ins Licht trat und Mircea erblickte. Beide starrten sich an. Niemand sagte ein Wort. Erst als sich Eisa leise räusperte, fuhren beide erschrocken zusammen und lösten den Blick voneinander.
»Killian«, wisperte Mircea leise. »Was machst du noch hier?«, fragte sie nun lauter.
»Was denn? Sollte ich nicht hier sein?«, seine Stimme war rau und in ihr schwang ein leicht belustigter Unterton mit.
»Na ich dachte du hast vielleicht Heimweh oder so. Es ist nett, dass du mich hergebracht hast, aber ich komme schon sehr gut alleine zurecht.«
Irgendetwas veränderte sich in Killians Augen als er den Kopf schüttelte.
»Ich weiß, aber ich bin eben noch hier und das hat nichts mit dir zu tun«, seine Stimme war plötzlich leise geworden. Einen Moment musterte er sie noch, dann drehte er sich abrupt um und verließ den Stall. Mircea starrte ihn einfach nur hinterher und fühlte etwas in sich zerbrechen.
»Hey, was war das denn?«, Eisa trat neben sie und musterte sie besorgt, aber eindeutig neugierig. »Du kennst ihn? Er ist echt süß!«
Mircea schüttelte traurig den Kopf.
»Ich weiß nicht, ob ich ihn kenne, nicht wirklich zumindest.« Traurig ließ sie Eisa stehen und verschwand im Schatten des verstreichenden Tages.

Nach dieser Begegnung mit Killian wurde Mircea verschlossener und widmete sich hauptsächlich dem Unterricht. Sie wurde besser und besser und überflügelte bald alle Schülerinnen, die älter waren und vor allem schon länger als sie dem Zirkel angehörten. Sie lernte und arbeite und vergaß den Rest. Eisa tat was sie konnte, aber es gelang ihr nur äußerst selten, Mircea aus ihrer Starre zu reißen und dann auch nur für kurze Zeit. Irgendwann wusste sie keine Lösung mehr und trieb sich in der Nähe des Stalles herum, bis sie Killian eintreten sah.
Schnell folgte sie ihm und erwischte ihn in einer Box, in der eine weiße Stute gerade ein kleines graues Fohlen geboren hatte und er nach dem Rechten sehen wollte.
Fasziniert starrte Eisa das kleine Wesen an, bis Killian sich erhob und plötzlich genau vor ihr stand. Seine grauen Augen bohrten sich wie Eis in ihre eigenen und ließen sie kurz schlucken.
»Du bist doch die Kleine, mit der Mircea ständig zusammen hängt.« Er legte seinen Kopf leicht schief und musterte sie eingehend.
»Ja, ich bin Eisa. Und du? Sie redet nicht von dir, aber sie scheint dich zu kennen und vor allem scheint es ihr wegen dir schlecht zu gehen!«
»Was?«, überrascht fuhr sein Kopf in die Höhe, die Augen weit aufgerissen und sah sie ungläubig an.
»Na ja, seit dem letzten Mal wo ihr beiden zusammengetroffen seid und euch ewig angestarrt habt, benimmt sie sich komisch. Sie lernt nur noch und möchte nichts mehr mit uns anderen machen und vor allem scheint sie traurig zu sein. So ernst und so verbissen. Was hast du ihr getan?«, Eisas Stimme war anklagend und wütend.
»Ich weiß es nicht«, Kilian schüttelte verwirrt den Kopf. Er wollte noch etwas sagen, als Lärm aus dem Innenhof ihn unterbrach. Fragend sahen die beiden sich an, bis erst Killian und dann auch Eisa nach draußen stürmten.
Dort hatten sich zwei Gruppen versammelt und schienen sich gegeneinander anzufeinden. Mädchen kreischten und starrten sich bösartig an. Mehrere diskutierten lautstark miteinander. Das Knistern von Magie lag in der Luft.
»Was zum …«, Killian runzelte die Stirn, als Freya auf dem Platz erschien.
»Ruhe!«, donnerte ihre Stimme über das Gelände und augenblicklich kehrte Stille ein. »Ich weiß nicht was hier los ist und ich will es auch gar nicht wissen, aber ich dulde keine Streitereien in dieser Schule! Jeder, der der Meinung ist, Streit zu verbreiten, der wird die Konsequenzen tragen und ich bin heute absolut nicht zum Scherzen aufgelegt, also legt es nicht darauf an!«
»Wann ist sie jemals zu Scherzen aufgelegt?«, murmelte Killian leise und Eisa konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Das Grinsen erlosch jedoch sofort wieder als Freya auf sie beide zutrat und leise mit Killian redete. Eisa stand so günstig, dass sie die Unterhaltung mitverfolgen konnte.
»Die Einflüsse nehmen dieses Jahr größere Auswirkungen an als sonst und ich weiß nicht woran es liegt. Als würde sich die ganze Schule in zwei Fronten aufteilen und niemanden dazwischen auslassen.«
»Auf welcher Seite steht Mircea?«, fragte Killian.
»Ich bin nicht sicher«, erwiderte Freya. »Sie äußert sich kaum und hält sich generell eher von den anderen Schülern fern, ich denke aber, wenn es darauf ankommt, dann steht sie eher auf der weißen Seite.«
»Also gegen ihre Mutter.«
»Ja, so sieht es aus.« Freya drehte sich in dem Moment um und sah Eisa viel zu nah bei ihnen stehend. »Eisa, bitte geh zu den anderen. Das hier geht dich nichts an!«
Überrascht registrierte Eisa den ablehnenden Tonfall der alten Hexe und hielt es für besser nicht zu widersprechen und machte sich auf die Suche nach Mircea.

Sie fand ihre Freundin nicht besonders überraschend in der Bibliothek. Hierhin verzog sich Mircea um allen aus dem Weg zu gehen, selbst Eisa.
»Cea, komm mit, ich muss dir etwas erzählen.« Mircea schüttelte nur stumm den Kopf.
»Du solltest auf sie hören und mitkommen«, ertönte plötzlich Killians Stimme hinter ihnen. Überrascht fuhren Mircea und Eisa herum und sahen ihn an. Mirceas Nase zuckte leicht und abweisend biss sie sich auf die Unterlippe.
»Nicht«, Killian tippte mit dem Finger auf ihre Lippen, so dass sie sofort aufhörte darauf herum zu beißen. Dann ergriff er ihre Hand und zog sie hoch. Mit einem Kopfzeichen bedeute er Eisa mitzukommen und führte die beiden Mädchen aus dem Schloss zurück in den kleinen Stall. In einer der hinten Kammern ließ er Mircea endlich los und setzte sich selbst auf einen Strohballen.
»Also, was ist jetzt so wichtig?«, frage Mircea schnippisch und Eisa schüttelte nur leicht entnervt den Kopf.
»Nein Mircea, als erstes hörst du mir zu und erklärst mir vor allem, warum du dich so aufführst! Du stößt alle hier vor den Kopf, vor allem Menschen, denen du wichtig bist.« Dabei warf er einen schnellen Blick zu Eisa, bevor er sich wieder ihr zuwandte. »Also, was ist los mit dir?«
Mircea konnte nur den Kopf schütteln und brachte kein Wort heraus. Dann, plötzlich, brach sie in Tränen aus. Überrascht sah Killian sie an, damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Eisa indes war schneller und nahm Mircea sanft in die Arme und hielt sie fest. Solange, bis die Schluchzer langsam verebbten und der Fluss aus Tränen langsam versiegte.
»Mircea«, sanft sprach Killian sie an und ließ sich vor ihr in die Hocke gleiten, während Eisa sie weiterhin festhielt. »Was ist los mit dir? Warum weinst du? Bin ich daran schuld?«
»Nein«, sie schluchzte erneut. »Ich weiß nicht warum ich mich so fühle. Andauernd fühle ich diese Schwere, die Traurigkeit in mir und ich weiß nicht was ich dagegen tun kann. Und ich will niemanden damit belasten.«
»Du belastest niemanden damit, aber es bringt auch nichts, wenn du nicht darüber sprichst. Im Gegenteil, du hetzt die anderen Schüler gegeneinander auf.«
»Was?«, entsetzt sah sie hoch und auch Eisa sog scharf die Luft ein.
»Du hast immer noch keine Ahnung wie mächtig du bist, oder? Deine Kraft ist unglaublich und auch wenn du viel lernst und hart arbeitest, hast du noch immer nicht alles begriffen. Deine Macht ist zum Teil instinktiv und lässt sich von deiner Stimmung beeinflussen. Du bringst Unruhe unter die Menschen und bestärkst sie in ihren Taten und Denken. Momentan sorgst du dafür, dass die Schüler, die sich für die weiße oder die schwarze Seite entscheiden, gegeneinander losgehen. Jetzt schon!« Killian verstummte und Mircea sah ihn betroffen an.
»Das wusste ich nicht«, stammelte sie. »Das wollte ich auch nie!«
»Natürlich nicht«, Eisas Stimme glitt sanft an ihrem Ohr vorbei. Auch Killian nickte zustimmend.
»Aber du musst mit uns reden! Mircea, egal was für deine Stimmung verantwortlich ist, bitte rede mit uns!«
Mircea lächelte schmerzlich. Dann schien die Welt plötzlich unterzugehen.

Der Himmel verdunkelte sich und es krachte ohrenbetäubend am Firmament. Menschen duckten sich sicherheitssuchend in Nischen und unter Vordächern, nicht wenige schrien erschrocken auf, wenn wieder ein Blitz durch den schwarzen Himmel zuckte.
»Was zum Teufel«, knurrte Killian und schob sich vor die beiden Mädchen, die gebannt in der Stalltür standen und nach draußen starrten.
»Kaitlyn, Jamie«, schrie Eisa plötzlich und winkte zwei anderen Mädchen hektisch zu, die durch den stürmischen Wind rannten und nun ihre Richtung änderten und keuchend neben dem Trio im Stalleingang stehen blieben.
»Was für ein Wetter«, brummte Jaime sarkastisch und schüttelte ihre braunen Haare aus in denen sich mehrere Blätter verfangen hatten. Kaitlyn stand schweigend daneben, nur ihre grauen Augen blitzten fragend.
Plötzlich zuckte ein besonders heller Blitz über den Hof und mit einem ohrenbetäubenden Krachen erschien eine dunkle Gestalt auf dem Steinweg.
»Wynn«, Killian keuchte auf und Mircea riss die Augen auf.
Auf dem Hof stand eine zierliche Frau, lange rote Haare umflossen sie wie ein Mantel aus Feuer und ein schwarzes enges Kleid betonte ihre schlanke Figur. Zielsicher fanden ihre schwarzen Augen die kleine Gruppe zwischen all den anderen und ein boshaftes Grinsen legte sich auf ihre Züge, welches Mircea erschaudern ließ.  Doch bevor sie herausfinden konnte, was Wynn vorhatte, schob Killian sie hinter sich und dann erschien Freya ebenfalls im Hof.
»Wynn, welch eine Ehre. Was führt dich hierher in unser bescheidenes Haus?«, Freyas Stimme triefte vor Ironie.
»Meine Tochter. Gib sie mir!« Wynns Stimme war getränkt von Dunkelheit und fraß sich in die Herzen aller Anwesenden. Furcht drückte ihre Herzen zusammen und ließ ihre Ohren schrillen. Nicht wenige fielen auf die Knie. Die Hexen, die sich für die schwarze Magie entschieden hatten oder würden, jubelten und bildeten einen Durchgang, der direkt auf Mircea und die anderen zuführte.
»Wir müssen hier weg«, knurrte Killian und sah sich hektisch um.
»Keine Chance«, ertönte eine nasale Stimme plötzlich hinten ihnen. Jemand hatte sich durch die Hintertür angeschlichen und stand nun genau hinter Mircea und den anderen.
»Vidar«, Killians Stimme war kalt wie Eis.
»Killian«, ein süffisantes Grinsen sprach von Vidars Überheblichkeit und dem Wissen, dass er in der besseren Position war als die anderen. »Welche Überraschung dich hier anzutreffen, obwohl, so wirklich überraschend ist das eigentlich auch nicht. Hast du dich doch schon immer an die starken Hexen gehalten, solange du sie noch beeinflussen kannst.«
Killian knurrte, erwiderte darauf jedoch nicht. Mircea runzelte kurz die Stirn, schob die Gedanken aber für später beiseite, dafür blieb jetzt keine Zeit. Erst mussten sie hier heil heraus kommen, alle!

Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Im Innenhof trafen Wynn und Freya aufeinander, während Vidar und Killian sich innerhalb des Stalles angriffen. Die Mädchen standen noch einen Moment unschlüssig herum, bis Eisa Mircea an der Hand griff und sie mit sich mit zog, Jaime und Kaitlyn hinter sich wissend.
»Wir müssen hier weg!«, rief Eisa nur. Mircea wusste, dass sie recht hatte, aber sie wollte Killian nicht alleine lasse.
»Vergiss ihn, er weiß was er tut! Hoffe ich«; murmelte Eisa noch und rannte weiter. Überall ballten sich kleine Kämpfe, weiße und schwarze Hexen maßen sich und ihre Kraft. Überall blitze es im schwarzen Himmel und Donnergrollen fuhr über sie hinweg. Doch Eisa warf nirgends einen zweiten Blick hin und rannte einfach. Ohne zu wissen wohin lief die kleine Gruppe wohin ihre Füße sie trugen und standen plötzlich im Wald. Hier war es beängstigend ruhig und der Kampflärm verebbte bereits.
»Was nun?«, keuchte Jaime.
»Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht stehen geblieben«, knurrte Eisa ungehalten.
»Hört auf!«, Mirceas Stimme war fester als sie sich fühlte. »Wir wissen nicht, was gerade passiert ist.«
»Das stimmt nicht so ganz«, warf Jaime ein. »Ich meine, die dunkle Hexenkönigin ist aufgetaucht, die Schüler bekämpfen sich gegenseitig und eigentlich geht es ja doch nur um dich.« Den Blick, den sie Mircea dabei zu warf war keineswegs freundlich.
»Aber sie hat Recht«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Erschrocken fuhren sie herum und standen Wynn gegenüber. »Es geht nur um dich, Tochter!« Ihre schwarzen Augen brannten voller Feuer und schienen sie schier zu durchbohren. »Und du wirst mit mir kommen. Sofort!« Sie streckte ihre Hand aus und schwarze Flammen leckten darum und sprangen auf Mircea über.
»Nein«, schrie Eisa und sprang dazwischen. Die Flammen fuhren über ihren Körper und ließ sie verschwinden.
»Eisa«, Mircea war wie gelähmt. »Was hast du mir ihr gemacht?«
»Nichts, also außer, dass sie nun Gast in meinem Haus ist und da solltest du auch sein. Sonst …«, sie ließ den Blick über die anderen Mädchen schweifen. »Könnte ich vielleicht auf die Idee kommen, noch mehr Gäste mitzunehmen. Meine Gastfreundschaft wird überall sehr geschätzt.« Ein gehässiges Lachen folgte diesen Worten und Wynns Augen funkelten dunkel.
»Lass sie in Ruhe, ich komme mit.«
»Nein«, Jaime fuhr auf. »Du darfst nicht mitgehen, als würde sie uns dann in Ruhe lassen. Das ist doch alles nur leeres Gerede.«
»Egal«, Mircea sah sie traurig an. »Ich muss es versuchen, wenn auch nur die kleinste Chance besteht!« Sie wandte sich an Wynn. »Ich komme mit dir mit, aber lass die anderen in Ruhe. Lass die gesamte Schule in Ruhe!«
Wynn musterte sie eine Weile stumm.
»Gut, ich gebe dir mein Wort!«
Mircea nickte nur, ergriff Wynns ausgestreckte Hand und beide verschwanden.

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