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Kapitel 7 / Tränen des Mondes

»Arg«, stöhnend schlug sie die Augen auf. Ihr Kopf brummte und ein hohes, ständiges Pfeifen hatte sich in ihren Ohren   breit gemacht. Sie blinzelte in die stechende Helligkeit einer Kerze, die direkt neben dem weißen, weichen Bett stand, in dem sie aufgewacht war. »Na, wieder wach?« Leandriis zuckte ertappt zusammen, wandte sich nach dem Fragenden um und erblickte neben sich den alten Mann aus der Waldhütte auf einem kleinen dreibeinigen Schemel sitzend. »Leandriis«, flüsterte der Greis leise. Leandriis wandte sich ihm zu und erschrak. Er sah älter aus denn je; die grauen Augen trüb und seine Haut war fahl und faltig. »Ja ich weiß, Leandriis, meine Zeit wird bald kommen. Erschrick´ bitte nicht, irgendwann muss selbst meine Zeit einmal kommen. Ich habe schon viel zu lange gelebt«, ein sanftes Lächeln huschte über seine Züge. »Wie lange denn schon«, fragte das Mädchen unverblümt. Wie ein Messerstich schnitt ihm diese Frage tief ins Fleisch. »Solange, dass ich selbst nicht

Kapitel 6 / Tränen des Mondes

Leandriis schrak schlagartig aus ihren Gedanken auf. Etwas mischte sich mit dem Nachtwind und erregte ihre Aufmerksamkeit. Prüfend sog sie die Luft mit geweiteten Nasenflügeln ein und wurde in ihrem Verdacht bestätigt. Rauch! Eindeutig Rauch und der Geruch von Feuer lagen in der Luft. Angestrengt beobachtete sie die Nacht und in der Ferne konnte sie den schwachen Schein von Feuer wahrnehmen. Schmerzhaft gruben sich ihre Fingerkuppen in den harten Holzrahmes des Fensters und ihre Nägel hinterließen lange Striemen in diesem. »Leandriis«, flüsterte eine zarte Stimme hinter ihr. Abrupt drehte sie sich um und ihre Augen weiteten sich vor Schreck und Überraschung. »Zooey«, murmelte sie leise. Das kleine blonde Puppenmädchen lächelte unschuldig. Sie hatte sich verändert. Leandriis fiel es sofort auf. Ihre Augen, es waren vor allem ihre Augen. Sie glänzten vor Lebensfreude und waren nicht mehr so leer und gefühllos wie früher. Überhaupt hatte sie sich verändert. Die Klugheit und das Er

Kapitel 5 / Tränen des Mondes

Dunkel war es. Und kalt. Wie immer. Der Wind pfiff durch die leere, abgebrannte Ruine im Wald. Eine junge Frau stand mitten in dem Trümmerhaufen. Lange, dunkle Haare verhüllten ihr Gesicht. Das kurze Kleid wehte um ihren zierlichen Körper. Grüne Augen blitzen aus ihrem blassen Gesicht hervor. Langsam sah sie sich um. Blickte ihm direkt in die Augen. Vor Angst konnte er sich nicht mehr rühren. Seine Beine versagten ihm den Dienst. Stöhnend sank er auf die Knie. Schmerz explodierte in seinem Kopf. Grauenhafte Bilder fanden sich plötzlich in ihm. Bilder voller Gewalt. Angst. Schmerz. Blut. Tod. Und sie war mittendrin. Hatte ihren Anteil an dem Verderben. Doch er konnte sie dafür nicht hassen. Etwas hinderte ihn daran. Etwas Uraltes. Eine der schwärzesten Magien der Welt, die leuchtende Macht der Liebe. Er sah die grausamen Dinge, die sie tat. Spürte den Schmerz, den sie über die Menschen brachte. Doch er konnte sie dafür nicht hassen. Nicht verurteilen. Seine Liebe war zu stark. D