Kapitel 9 / Tränen des Mondes
Ohne
auf ihre Umgebung zu achten rannte sie über den eisigen Boden. Sie wollte sich
nicht umdrehen, wollte einfach nur rennen, doch sie konnte es nicht verhindern.
Hinter den ersten Ausläufern des Waldes, geschützt hinter den dicken knorrigen
Skeletten der Bäume blieb sie stehen und wandte sich der Lichtung zu. Das ganze
Haus glühte blau. Fein wie Nebel legte sich der Schimmer über alles und schien
die Welt und ihre Geräusche zu ersticken. Doch von außen streckten sich
Ausläufer finsterer klebriger Fäden in das Blau. Drängten sich heran, griffen
hinein und löschten es aus.
Leandriis atmete schwer. Sie wusste nicht, was dort vor sich ging und sie wollte es auch nicht wissen. Die Angst griff tief in ihre Seele und lähmte sie. Sie hatte Angst vor den schwarzen Albtraumfäden. Sie hatte Angst um Cassian. Sie hatte Angst vor der Angst.
Leandriis atmete schwer. Sie wusste nicht, was dort vor sich ging und sie wollte es auch nicht wissen. Die Angst griff tief in ihre Seele und lähmte sie. Sie hatte Angst vor den schwarzen Albtraumfäden. Sie hatte Angst um Cassian. Sie hatte Angst vor der Angst.
Ein
Fauchen riss sie aus ihrer Erstarrung. Es kam von überall und von nirgends.
Aber es bewirkte etwas. Noch einmal sah sie zum Haus. Das blaue Licht wurde
noch einmal stärker, glühte in all seiner Pracht auf und erstarb. Die schwarzen
Fäden fraßen es auf. Einfach so. Und dann war es weg.
Leandriis
zitterte am ganzen Körper. Und in dem Augenblick, als das Licht erlosch, drang
Cassians Stimme an ihr Ohr.
»Lauf!«
Und
sie rannte.
Das
gefrorene Laub knirschte trocken unter ihren nackten Füßen. Eisiger Wind fuhr
ihr durch die Haare. Je weiter sie lief, desto leiser wurden die Geräusche, die
ihr folgten. Trotzdem hielt sie in ihrer Flucht nicht inne. Angst und Panik
trieben sie immer weiter. Ihr war kalt, eisig kalt. Vor ihrem Mund gefror ihr
Atem zu einer weiß schimmernden Wolke. Vor Schmerz keuchte sie auf, als sich
ein niedrig hängender Ast in ihren Haaren verfing. Mit einem Ruck riss sie sich
los, kam kurz ins Schwanken und rannte weiter.
Dann
hörte sie sie. Die wütenden Stimmen. Die energischen und entschlossenen
Schritte. Sie konnte das Öl der Fackeln geradezu riechen. Zitternd hockte sie
sich hinter einen Busch. Versuchte vollkommen still zu sein. Eine ihrer
dunkelbraunen Haarsträhnen kitzelte sie im Gesicht.
»Verdammt«,
knurrte jemand ungehalten. Leandriis duckte sich noch tiefer in die Schatten
und kauerte sich am Boden zusammen. Ihr war kalt und sie wusste nicht, was sie tun
sollte. Sie zuckte zusammen, als hinter ihr Stimmengewirr erklang, doch dann
wurde sie ruhig. Von diesen Stimmen drohte ihr keine Gefahr. Dies war nicht die
Gefahr, die sie jagte und vor der sie geflohen war. Dies waren Menschen, vor
denen sie sich nicht zu fürchten hatte. Unwillkürlich entspannte sie sich und
krabbelte aus dem Gebüsch hervor, bis sie fast vor die Füße der Menschen fiel.
»Lea.
Oh Gott Lea, du bist es wirklich.« Hinter ihr knackten trockene Äste und sie
spürte wie sich eine Hand ruppig auf ihre Schulter legte und sie umdrehte.
»Lea,
wir dachten alle du wärst ebenfalls tot. Tot wie die anderen, die in eurem Haus
verbrannten. Wir fanden nur Leichen und dachten, ihr wärt alle in den Flammen
verbrannt.«
»Still«,
mischte sich eine zweite Stimme ein. »Lasst das arme Mädchen in Ruhe. Sie steht
mit Sicherheit unter Schock und euer Palaver hilft da nicht weiter.« Eine der
anderen Stimmen knurrte ungehalten, sagte jedoch nichts mehr. Dafür wurde sie
hochgehoben und merkte noch im Halbschlaf wie sie durch den Wald getragen
wurde, bevor alle Kräfte sie verließen und sie in einen erschöpften Tiefschlaf
fiel. Umhüllt von der Dunkelheit der Nacht. Dem Verlust von Cassian. Ihrer
eigenen Angst. Und den Fragen. Da waren so viele Fragen. Und plötzlich nichts
mehr. Ihr Kopf war leer. Nur noch Schwärze.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Mit Absenden eines Kommentars und beim Setzen eines Hakens für weitere Benachrichtigungen auf Folgekommentare erklärst Du Dich einverstanden, dass personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse, Standort des Logins etc.) eventuell abgespeichert und von Google weiterverarbeitet werden.
Weitere Informationen findest Du hier:
Hier findest Du die Datenschutzerklärung von Google:
Datenschutzerklärung von Google/Blogger
Hier findest Du die Datenschutzerklärung von dieser Website:
Datenschutzerklärung von Sternenfetzen