Wintermädchen / Farbschatten der Erinnerung
Tränen liefen ihr über das
Gesicht. Sanft wehte ihr der Wind eine lange Strähne ihrer braunen Haare ins
Gesicht. Die Tränen auf ihrer Haut vermischten sich mit den Regentropfen, die
wie Trümmerstücke eines Traumes aus dem Himmel fielen. Es war ihr egal, es war
ihr alles egal. Kein Schrei entwich mehr ihrer Kehle. Sie fühlte sich zerrissen,
zerstückelt, getreten und am Boden. Sie war gefallen und nicht wieder
aufgestanden. Sie fiel noch immer, immer tiefer in den schwarzen,
schmerzerfüllten Abgrund ihrer Seele. Es gab kein Entkommen, kein Entkommen vor
dem Schmerz. Immer tiefer ging der Schmerz. Zerfetzte ihre Seele. Zerriss ihren
Verstand. Nie hatte sie solche Pein verspürt. Hatte sich noch nie so zerrissen,
so unvollständig gefühlt wie jetzt. Sie fühlte sich bei lebendiger Haut
gehäutet und ihr Innerstes nach außen gekehrt. All der Schmerz in ihrem Inneren
wurde nach außen gezerrt und fraß sich durch sie hindurch. Doch noch schlimmer
als der Schmerz war die Leere in ihr. Die Leere, die ihr Leben zerstörte. Die
Wärme, die plötzlich fehlte und ihr Herz und ihre Seele erfrieren ließ. Ihr das
Leben nahm und sie als leere Hülle zurückließ. Was war das Leben denn schon
ohne diese Liebe wert? Liebe, die die Flamme ihres Herzens war und nun
erloschen ist. In einem Atemzug war ihr Leben in sich zusammengebrochen. Hatte
sie unter Trümmern vergraben. Sie erstickt, zerrissen, zerfetzt, aber nicht
getötet. Ihr aber Schlimmeres angetan hatte. Es ließ sie zurück mit der Leere
und dem Schmerz. In einem Leben, welches keines mehr war. Alles war so
unwichtig geworden. Alleine war dieses Leben nichts mehr wert. Ohne ihn war
alles sinnlos geworden. Wo war die Wärme, die ihr Leben ausmachte? Wo war die
glühende Flamme, die ihr Leben war? Wo war sein Lachen, das ihr Leben bedeute?
Wo waren seine Augen, die ihre Welt gewesen waren? Wo war er? Er und all seine Liebe
und Wärme für sie? Weg! Nie war ein Gedanken so stark und klar in ihrem Kopf
aufgetaucht wie dieses eine Wort. Weg! Weg für immer und hatte ihr Leben mit
sich genommen, als er gegangen war. Vielleicht, hätte sie von diesem Schmerz
gewusst, hätte sie seine Hand nie genommen. Hätte sich nie in seinen Armen so
geborgen gefühlt. Hätte sie sich nie so in seinen Geruch vergraben. Hätte sich
nie so sehr fallen lassen, wenn er da war. Und vor allem wäre sie nie so tief
in seinen Augen versunken und mal für mal in ihnen ertrunken. Sie hatte ihm
alles gegeben. Alles, was sie hatte. Ihre Wärme, ihre Sehnsüchte, ihre Träume,
ihre Liebe und ihr Leben. Und wofür? Um sich jetzt so zerfetzt zu fühlen? Ihr
Herz war zerrissen, mit nur einem Wort. Gedanken, endlos und ohne Sinn. Schmerz
in ihrem Herzen. Schmerz und Leere überall in ihr. Er hatte ihren Körper und
ihre Seele verstümmelt mit den wenigen Worten, die er dazu brauchte. Das Leben
sinnlos gemacht für sie. Sie sterben lassen, obwohl sie noch atmete. Er hatte
ihre Welt zum Einsturz gebracht und jetzt gab es keine Hoffnung mehr für sie.
Das Paradies war verbrannt und nun wartete nur noch eine Hölle aus Schmerz und
Leere auf sie.
Tief grub sie die Fingernägel in
ihre weiche Hautfläche. Schmerz, physischer Schmerz, war das einzige, das ihr
noch zeigte, dass sie am Leben war. Tränen liefen ihr über die Wangen. Die
zerzausten Haare wirbelten ihr um das Gesicht. Entschlossen hob sie den Blick
nach oben. Ja, sie hatte wirklich alles verloren. Aber war es wirklich das
Ende? Ihre Seele war zerrissen, ihr Herz zerfetzt. Aber doch atmete sie noch.
War noch in der Lage Schmerz zu empfinden. Vielleicht war alles verloren,
vielleicht …
Sie, dieses Mädchen, war ich, als
du mich verlassen hast …
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