Und plötzlich war der Tee alle ... / Magie der Träume
»Ich fühle mich so müde, so
ausgelaugt, so leer.« Resigniert strich sich Samantha ihre blonden Haare mit
den violetten Spitzen aus dem hübschen Gesicht. Wie so oft in letzter Zeit
hockte sie in einer dunklen Ecke ihres Zimmers auf dem Boden, die Beine so
dicht wie möglich an ihren Körper gezogen. Mit den Armen umklammerte sie sich
so fest wie möglich, damit sie nicht auseinander fiel. Kaum mehr brachte sie
dieser Tage zustande. Ihre Hand zuckte unwillkürlich, doch fest biss sie sich
auf die Unterlippe, wollte nicht nachgeben, nicht schon wieder schwach werden.
Viel zu oft hatte sie in letzter Zeit ihrer inneren Unruhe nachgegeben. Seit
langem konnte nur noch scharfes Metall auf ihrer zarten, blassen Haut ihr ein
wenig die Leere nehmen, die in ihr herrschte.
Sam wusste, dass dies keine
Lösung war, aber bevor sie komplett innerlich zerbrach, griff sie zu diesem
Mittel. Und keiner ahnte etwas davon; davon, dass sie kurz davor war zu fallen
und dabei unterzugehen.
Für jedermann war sie die kleine,
lustige Sam. Ein hübsches, zierliches Mädchen mit auffallend grünen Augen,
blonden Haaren und der hellen Haut, die sie immer etwas zu blass aussehen ließ.
Nie um ein Lächeln verlegen, machte sich Sam mit ihrem sprühenden Wesen sofort
alle Menschen ihrer Umgebung zum Freund. Doch hinter alldem steckte eben auch
die andere, die zerbrochene Sam.
Sie wusste nicht mehr, wann
eigentlich alles begonnen hatte. Im Verborgenen war sie schon immer sehr
melancholisch gewesen, verträumt, ein wenig pessimistisch, aber doch immer auf
der Sonnenseite des Lebens und plötzlich, plötzlich veränderte sich etwas. Das
Leben schien ihr aus den Händen zu gleiten. Alles wurde schwerer. Der Druck
spürbarer. Und ihre eigenen Erwartungen brachen ihren Willen. Statt sich
anzuspornen, legte sie sich selbst mehr Steine in den Weg als sie überwinden
konnte und drohte zu scheitern. Nahm sich selbst die Lebensfreude und drängte
sich in eine Ecke, in der sie gar nicht hingehörte. Ihre Umwelt sah das alles
nicht. Sam lernte mit der Zeit, sich eine perfekte Maske zuzulegen. Lachte,
tanzte und strahlte sobald jemand an ihrer Seite war und weinte, litt und
verletzte sich irgendwann selbst, wenn sie alleine war.
Aus Angst bedeckte sie ihre Arme,
aber sie lernte schnell, dass niemand sehen wollte, was sie sich antat.
Einfache Ausreden reichten und bald unterließ sie es sogar selbst wieder, weil
sie sich schämte. Die blassen Narben, die auf ihrer heilen Haut nicht zu sehen
waren, schrieben ganze Geschichten, doch niemand kam, um diese Worte zu lesen.
Ihr zu helfen. Sie zu retten. Denn Sam konnte sich selbst nicht mehr retten.
Die Zeit verging und immer mal
wieder ging es auf und ab. Sam hatte keine kontinuierliche Form, sondern
schlitterte von einem Hoch ins nächste Tief. Und umso mehr sie innerlich
zerbrach, umso fröhlicher wurde sie von außen. Keiner ihrer Freunde hätte im
Nachhinein sagen können, etwas bemerkt zu haben, denn Sam hatte ihre Tarnung
perfektioniert. Doch jede Nacht, jede einsame Stunde brach sie zusammen.
Weinte, starrte ins Nichts, fühlte sich zerrissen und leer. Und nichts konnte
diese Leere füllen. Kein Freund, kein Tier, nicht mal ihr geliebter Sport. Sie
hatte nichts. Nichts was ihr helfen konnte, denn sonst hatte sie alles was sie
brauchte.
Eine kleine, aber liebende
Familie. Freunde, die alles für sie taten. Ein Leben, welches sie bisher recht
liebevoll umhüllt hatte.
Warum aber war sie dann so
kaputt? Was hatte sich so in ihre Seele gefressen, dass sie die Schönheit der
Sonnenstrahlen am Morgen nicht mehr sah? Die kleinen bunten Schmetterlinge
voller Glück. Warum hatte sie vergessen wie Wolken schmecken? Und wie man im
Regen tanzt?
Sie wusste es nicht. Und es wurde
nicht besser. Der Druck, den sie auf sich selbst ausübte, der Druck, jemand in
dieser viel zu schnellen und lauten Welt zu sein, brach sie nieder.
Denn dies wünschte sich Sam mehr
als alles andere. Jemand zu sein! Hübsch, klug, außergewöhnlich, begabt und von
der Welt wahrgenommen! Doch egal wie sehr sie sich anstrengte, sie war einfach
in nichts gut genug. Sie konnte von allem ein bisschen und manches sogar
ziemlich gut, doch niemals gut genug. Es gab immer etwas, an dem sie scheiterte
und wenn es nichts gab, so stellte sie sich selbst ein Bein. Sie wollte es so
verbissen, dass es sie schier zerstörte. Sie wollte jemand sein, doch für sich
selbst war sie ein Niemand. Dabei könnte sie mit dem, was sie hatte, einfach
glücklich sein. Sam hatte alles um ein glückliches, einfaches Leben zu leben.
Mit strahlenden Augen im Regen tanzen, genau das war Sams Stärke, doch sie
selbst konnte es nicht sehen. Dabei war sie für alle ein Schatz. War immer da.
Hörte immer zu. Nur sich selbst konnte sie verstehen.
Sam war irgendwann zerrissen, so
sehr zerrissen. Von eigenen Zweifeln durchpflügt. Von Pessimismus durchtränkt.
Es gab keinen Weg mehr aus ihrer Leere. Sie konnte weder dem Druck der
Gesellschaft standhalten, alles nach Norm zu absolvieren, noch ihren eigenen
Ansprüchen gerecht werden. Sam hatte sich selbst in dieses Loch getrieben und
niemand konnte ihr helfen, denn niemand ahnte auch nur ein bisschen von ihrer
Qual. Sam wusste, dass sie geliebt wurde, aber sie konnte es nicht spüren. In
ihr gab es nur noch diese Eiseskälte. Diese Leere. Dieser Schmerz. Sam war eine
Hülle und sie ertrug es nicht mehr.
Entschlossen stand sie auf.
Blickte sich um. Trat zum Fenster. Engel können fliegen, dachte sie, und sprang
…
… da schlossen sich warme
Fingerspitzen um ihre Hand und hielten sie fest.
»Samantha«, seine warme, rauchige
Stimmen umschloss sie wie ein Kokon und sie entschloss sich zu bleiben. Noch!
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