Die stotternde Fee / Farbschatten der Erinnerung
Kurz nachdem er die Augen
geschlossen hatte, fand er sich in einer anderen Welt wieder. Eine Welt, die so
anders war, als diejenige, die er gerade verlassen hatte und doch so vertraut.
Alleine durchstreifte er die wundersamsten Landschaften, sah Pflanzen und
Wesen, die er noch nie gesehen hatte und in seiner Welt auch nie sehen würde.
Außergewöhnliche Düfte mischten sich mit dem bekannten Geruch nach Wald und
Natur. Für ihn war dieses Land wie ein Traum und im Grunde war es ja auch ein
Traum. Ein wunderschöner, einzigartiger Traum, in dem er Nacht für Nacht
eintauchte und die Wirklichkeit vergaß. Hierher flüchtete er, um leben zu
können, um alles andere zu vergessen, um frei zu sein. Ein Lächeln breitete
sich auf seinem Gesicht aus, sanft kitzelten ihn Sonnenstrahlen an der Nase.
»He…ey«, sanft strich das Wort an
ihm vorbei. Überrascht drehte er den Kopf zur Seite und sah eine kleine
schimmernde Fee neben sich herfliegen. Sie war winzig, zierlich, gerade mal so
groß wie sein Daumen. Sie hatte kurzes, verfilzt blondes Haar und ein weißes
Kleid, oder etwas was ehemals ein weißes Kleid gewesen sein sollte, an. Ihre
Flügel schimmerten hell in der Sonne. Sie war nicht schön, nicht so, wie sie im
Moment aussah. Ihre strahlend blauen Augen verrieten dagegen, wie schön die Fee
jedoch sein könnte.
Er betrachtete sie noch einmal
genauer, sie wirkte traurig, geradezu niedergeschmettert. Fasziniert von der
kleinen Fee, achtete er nicht darauf, wo er gerade hin lief und rannte
schließlich gegen einen Baum.
Benommen saß er auf dem weichen
Boden und rieb sich die schmerzende Nase, als er ein höhnisches Lachen von der
Seite wahrnahm.
»Ein Tollpatsch und Dummi, wie
passend.« Zwei Zwerge zogen spöttisch an ihnen vorbei. Tom blickte ihnen
verdutzt hinterher, konnte jedoch den Sinn nicht wirklich begreifen.
»Isssst dir was passssiert?« Die
gleiche Stimme wie eben verklang neben ihm, besorgt, teilnahmsvoll. Er sah
hoch, die kleine Fee schwebte kurz vor seiner Nase und sah ihn fragend aus
ihren blauen Augen an.
»Nein, schon gut.«
»Dann isssst ja g-g-gut. Wie
heißt d-du?«
»Mein Name ist Tom.«
»T-tom? Schöner Name und schön
k-kurz.« Tom lächelte immer noch ein wenig verdutzt, aber er hatte die kleine
Fee sofort in sein Herz geschlossen.
»Wie heißt du?«, fragte er sie
sanft.
»D-du willst wir-wirklich
wissssen, wie ich heiße?«, fragte sie zögerlich nach.
»Ja, das möchte ich«, Tom
lächelte aufmunternd und ließ zu, dass sie sich auf seinen Handrücken setzte.
»M-mein Name ist Lumi.«
»Lumi, wie schön.«
»Ja, aber die anderen nennen mich
immer D-d-dummi.«
»Dummi, aber wieso?« Die kleine
Fee senkte den Kopf, die wirren blonden Haare fielen ihr übers Gesicht und
Tränen schossen ihr in die Augen.
»Hey«, vorsichtig hob Tom die
Hand und blickte der Fee ins Gesicht.
»K-keiner mag mich. Alle lachen
mich aus, w-weil ich stot-t-tere.«
»Wenn sie dich deswegen
auslachen, dann sind sie wirklich keine Freunde.« Niedergeschlagen betrachtete
er das kleine Wesen auf seiner Hand.
»Weißt du was?«, meinte er auf
einmal und zog damit die Aufmerksamkeit von Lumi auf sich. »Ab jetzt bin ich
einfach dein Freund.«
»Was wirklich?« Überrascht hob
sie das tränennasse Gesicht und sah ihn hoffnungsvoll an. »Wirklich? Du willst
wirklich mein Freund sein?«
»Ja, das will ich.« Lächelnd
betrachtete er die kleine Fee, welche sich unbändig freute und schloss eine
neue Freundschaft, die lange, lange halten sollte.
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